[Kein Kind ist falsch - Buchvorstellung] "Als wir Adler wurden" - Uticha Marmon

Freitag, 3. April 2020

Hallo, ihr Lieben!
Ich setze heute meine Blogaktion fort und stelle euch ein Kinderbuch vor, in welchem sehr eindrücklich erzählt wird, was Vorurteile, Hass und eine falsche Vorstellung von Gerechtigkeit mit Freunden, Nachbarn, Arbeitskollegen anstellen können und wie eine ganze Siedlung kollektiv wegschaut, wenn die Abneigung zu Rassismus wird.

Jannik und Loni sind beste Freunde. Zusammen mit den anderen Kindern aus der Straße erleben sie die genialsten Abenteuer. Die Geschichten dafür gibt Bo vor, Janniks älterer Bruder. Doch irgendwann verändern sich ihre Spiele, denn Bo erfindet immer neue Regeln. Eine davon lautet: Loni ist anders. Und das nur, weil ihre Mutter aus Kenia kommt. Jannik muss sich entscheiden, was ihm wichtiger ist – dazuzugehören, oder Loni als Freundin nicht zu verlieren. Aber dann passiert etwas, was niemand vorausgesehen hat … (Quelle: FISCHER Sauerländer)

Erscheinungsjahr: 2020
Format: Hardcover
Seiten: 224
Genre: Kinderbuch
Altersempfehlung: ab 9 Jahren
Verlag: FISCHER Sauerländer

Uticha Marmon erzählt in ihrem Kinderbuch von Freunden, die zu Rivalen werden, als die Ablehnung ihre Gruppe spaltet. Alles beginnt mit einem Spiel, welches von Janniks großem Bruder Bo erfunden wird, dem unbeugbaren Weltverbesserer, Greenpeace-Aktivist und Gerechtigkeitskämpfer. Bo trägt knallbunte Haare, in seinem Zimmer hängt ein Plakat von Martin Luther King. An Janniks und Lonis elftem Geburtstag schenkt Bo ihnen ein Heft mit einem gezeichneten Adler auf dem Cover, denn: Ab heute sind sie Adler. Doch die Adler müssen ihre Bestimmung noch finden und entscheiden, ob sie auf die gute oder die böse Seite gehören. Als ein Ereignis die Bewohner ihrer Straße aus der Bahn wirft und die Wut nach und nach aus den Menschen bricht, eskaliert die Situation. Sowohl zwischen den Erwachsenen, als auch in der Adlerbande geht es fortan nur noch darum: Wer anders ist, der muss weg.

Die Erzählung ist ein Abbild unserer Gesellschaft und der Ablehnung, die diese Gesellschaft auseinanderdriften lässt. Sie zeigt, wie schnell eine einzelne Person zum Sündenbock für das Versagen wirtschaftlicher und sozialer Mechanismen werden kann, wenn dem Zorn der Betroffenen kein Einhalt geboten wird und dieser ungebremst auf die angeblich Schuldigen trifft. 
Besonders deutlich wird, dass auch Kinder nicht davor verschont bleiben und wie grotesk es ist, wenn erwachsene, vernünftige Menschen plötzlich ein Kind ausgrenzen, obwohl es mit dem Geschehen gar nichts zu tun hat. 

Es ist schockierend, aber eigentlich logisch, dass die Freunde in der Adlerbande das Verhalten ihrer Eltern widerspiegeln und sich so auch zwischen den Kindern eine tiefe Kluft bildet. 
Und zwischen ihnen Loni, die Zielscheibe der von den Eltern aufgeschnappten Bemerkungen. Und Jannik, der zu Loni halten will, aber mehr und mehr von ihren Freunden und Bo verunsichert wird.
Sehr skurril fand ich auch die absolute Abwesenheit eines rechtlichen Rahmens und der Polizei im Setting...Ich hatte fast den Eindruck, die "Milchstraße" (= die Straße, in der die Protagonisten wohnen und in der sich alles abspielt) ist eine Bühne und Akteure wie Ordnungshüter seien im Drehbuch einfach nicht vorgesehen.

Meiner Meinung nach ist die Geschichte für Kinder im Alter zwischen 9-12 noch ziemlich schwierig zu verstehen. Gerade Themen wie "Gerechtigkeit" (in der Geschichte werden einige recht interessante, aber vielleicht kompliziert zu verstehende Unterhaltungen geführt), wer Martin Luther King war und warum dieses Plakat von ihm und Bos äußere Erscheinung eine zentrale Rolle in dem Roman spielen, muss zusammen mit den Kindern erarbeitet werden, damit sie die ganze Spannweite der Ereignisse verstehen können. Persönlich konnte ich viel aus dem Roman mitnehmen, da die Situation in der Adlerbande geschickt mit historischen Gegebenheiten und ihren Folgen verknüpft wurde - allerdings war dabei eben ausschlaggebend, dass ich schon einen gewissen Überblick über die deutsche Geschichte, u.a. den Nationalsozialismus, besaß.

Deshalb denke ich, dass die Empfehlung "ab 9 Jahren" mit Vorsicht zu genießen ist und Kinder in diesem Alter den Roman mit ihren Eltern oder einem Lehrer lesen sollten, der ihnen die nötigen Hintergrundinformationen offen legt. Für den Unterricht in der Grundschule finde ich dieses Buch daher sehr geeignet.

In mir ist die Geschichte noch lange nachgeklungen und hat mich tief erschüttert. Alles in allem finde ich sie sehr gelungen, klug aufgebaut und interessant abgerundet.
Besonders herausragend finde ich jedoch die vielfältigen Anregungen zur Diskussion über Gerechtigkeit, Recht und Unrecht im Allgemeinen und dem "Anders sein", die auf Grundlage des Buches entstehen. Einen Punkt ziehe ich ab, da mir die Abwesenheit der Polizei und das seltsame Rechtsverständnis der Eltern manchmal sehr abwegig vorkamen.

Bewertung


2 Kommentare

  1. Hallo Isa,

    das Kinderbuch hatte ich auch schon im Auge, da mich der Klappentext schon angesprochen hat. Leider ist es dann durch gerutscht, da es einfach noch zu viele andere tolle und interessante Titel gab.

    Und alleine schon von der Thematik her, denke ich auch, dass Kinder mit 9 Jahren diese wohl noch nicht so erfassen können und kann deine Empfehlung da verstehen.

    Liebe Grüße
    Tanja

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Tanja,

      vielleicht findest du ja in den nächsten Monaten mal die Zeit, in dieses Buch reinzulesen. Ich habe festgestellt, dass mir das gesamte Setting des Buches fast wie eine Art "Laborbeobachtung" vorkommt, durch die Abwesenheit von Polizei & Co. natürlich verstärkt, aber auch dadurch, dass die komplette Handlung absolut nur in der einen Straße stattfindet, als gäbe es drumherum nichts.
      Ich bin gespannt, wie dein Eindruck sein wird, wenn du es gelesen hast :)

      Viele liebe Grüße,
      Isa

      Löschen

Sofern du deinen Kommentar nicht anonym abschickst, werden deine Profildaten gespeichert. Kommentare können vom Nutzer jederzeit wieder gelöscht werden.