Rezension | "Das Gewicht der Worte" - Pascal Mercier

Donnerstag, 3. Februar 2022

Lang ists her, dass ich etwas rezensiert habe (oder ausgelesen). Nun endlich komme ich wieder dazu und ich muss sagen, es hat mir so gefehlt und ich freue mich auf dieses Literatur-Jahr!

"Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Gegen den Willen seiner Eltern wird er Übersetzer und verfolgt unbeirrt das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden. Von London folgt er seiner Frau Livia nach Triest, wo sie einen Verlag geerbt hat. In der Stadt bedeutender Literaten glaubt er den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben – bis ihn ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Doch dann erweist sich die vermeintliche Katastrophe als Wendepunkt, an dem er sein Leben noch einmal völlig neu einrichten kann." (Quelle: Hanser)

Erscheinungsjahr: 2020
Format: Hardcover
Seiten: 576
Genre: Roman/ Erzählung
Verlag: Carl Hanser Verlag

"Etwas Poetisches, ein Satz, ein Bild, ein Klang: Es fesselt einen wie nichts sonst. Man möchte, dass es nicht aufhört oder verschwindet, man möchte immer mehr davon. [...] Etwas Poetisches, auch wenn es nur etwas Kleines ist, ein winziges Detail, gibt dem Leben im Moment der Betrachtung eine Tiefe, die es sonst nicht hat." (S. 361)
Ich gestehe, der Roman und ich haben eine etwas längere Geschichte: Im März 2020 auf der Rückreise von einem tollen Konzert in Halle, kurze Zeit vor dem ersten Lockdown (Was hatten wir ein Glück, die Band noch sehen zu können!), habe ich in der Bahnhofsbuchhandlung das Buch gefunden, um das ich seit seiner Erscheinung herumgeschlichen bin. Und dann habe ich nicht in die Erzählung hineingefunden. Meine Konzentrationsfähigkeit war zu dem Zeitpunkt mehr oder minder nicht vorhanden und ich hatte viel mit mir zu tun, es ging um Krankheit, Stress in der Uni und die allgemeine sehr beängstigende Situation, die wir seit nunmehr 2 Jahren aushalten. Und da musste ich mir eingestehen, dass ich nicht die nötige Hirnkapazität erübrigen konnte, um die Geschichte in all ihrer Tiefe zu erleben und begreifen. Ich war enttäuscht und traurig. Fast zwei Jahre mussten vergehen, ehe ich mich erneut an das Buch wagte und diesmal war es ein ganz anderes Leseerlebnis!! Ich habe die Geschichte um Simon Leyland, seine falsche Diagnose und das neue Leben, das sich ihm eröffnet, innerhalb weniger Tage verschlungen.

Ich verfluche mich ein bisschen, dass ich mir während des Lesens keine Notizen gemacht habe, denn Merciers Roman steckt voller Weisheiten, Denkansätze und philosophischen Betrachtungen der Sprache, dass ich kaum genug davon kriegen konnte.
Die Geschichte entwickelt sich nicht schnell und es ist unangebracht, zu erwarten, dass Knall auf Fall Dinge passieren, bei denen schon von Vorneherein klar ist, welchen Beitrag sie zum Ausgang der Erzählung leisten. Es ist vielmehr die Unterschwelligkeit der Ereignisse und Erfahrungen des Protagonisten, die sich nach und nach zu einem großen, bedeutungsschweren Ganzen zusammensetzen und gar nicht richtig in ihrem Wesen greifbar sind, aber trotzdem existieren. Erfahrungen wie Unabhängigkeit, Inspiration, Sehnsucht und das Gefühl, so viele Möglichkeiten zu haben, das ist das, was den Roman ausmacht. Es ist kein Buch für zwischendurch - ich habe gemerkt, die Worte gewannen an Bedeutung, je länger ich in Simon Leylands Leben und Sein eintauchte; und wenn ich nur flüchtig ein paar Seiten lesen wollte, hätte ich es genauso gut lassen können. Dann gelang es mir nicht, mir die Tragweite der Sätze zu erschließen.

Während des Lesens und auch danach erfüllte mich eine seltsame Art Fernweh, ich wollte so gerne Triest, London und Mailand erleben, wie Simon Leyland es mit seinen Augen wahrnahm. Gerade Triest hat mich bis jetzt nicht wieder losgelassen; die "Stadt der Sprachen" klingt so anziehend, dass ich mich danach sehne, durch die Gassen zu schlendern, an der Mole die Beine baumeln zu lassen und Inspiration in der kulturellen und vor allem literarischen Vielfalt zu finden. Der Klang der Namen und italienischen Worte (von denen viele im Buch zu finden sind, denn Simon Leyland ist ja Übersetzer) trug nicht gerade dazu bei, diese Sehnsucht zu lindern. 
Vor einigen Tagen habe ich deshalb spontan geschaut, welche italienischen Städte von der Deutschen Bahn angefahren werden und wie lange ich bis dorthin brauche (Triest ist leider wahnsinnig weit weg), aber es ist bisher bei der Idee geblieben. Zu allem Überfluss spreche ich auch gar kein italienisch, nicht einmal Bruchstücke (außer vielleicht Ciabatta, Spaghetti und Espresso), deshalb wäre diese Reise höchstwahrscheinlich nur der halbe Spaß. Aber genau dafür existiert das Buch. Für die Idee einer Reise. Für die Idee, alle Sprachen der Mittelmeerregion zu verstehen. Für die Idee, den Sinn des Seins gefunden zu haben.. 

Und das ist ein schöner Kompromiss.
Findet ihr nicht?

Habt ihr "Das Gewicht der Worte" schon gelesen? Ich freue mich über eure Eindrücke!
Liebe Grüße,
Isa

2 Kommentare

  1. Liebe Isa,
    deine Rezension macht so Lust auf diese Lektüre! Am liebsten würde ich jetzt gleich zum nächsten Buchladen aufbrechen, "Das Gewicht der Worte" einpacken, nach Hause tragen und dann für eine Weile ins Leben des Protagonisten, in philosophische Sprachbetrachtungen und in die Atmosphäre von Triest eintauchen... Danke für die Empfehlung, wird gekauft! :-)

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    1. Liebe Annemarie,
      es freut mich total, wenn ich dir Lust auf das Buch gemacht habe! Ich hoffe, du kannst die Geschichte schon bald selbst genießen :-)
      Liebe Grüße,
      Isa

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