Wie wir Kinder zum Lesen motivieren.

Montag, 16. Januar 2023

Ich bin schon so lange am Grübeln, wie ich das umsetzen kann, was ich umsetzen möchte: ein niedrigschwelliges Angebot an Möglichkeiten für Eltern, Verwandte, Lehrkräfte und Menschen, die in anderen Situationen Kontakt zu Kindern haben, diesen Kindern den Zugang zu Büchern und zum Lesen zu erleichtern. Nun ja, es ist nicht leicht, aus der Fülle an Informationen solche herauszufiltern, die wirklich leicht umsetzbar und schnell zugänglich sind. Deshalb dachte ich mir, ein kleiner Anfang ist besser als gar keiner und vielleicht erschließt sich mir die Struktur meines Vorhabens im Verlauf des Schreibens an diesem Artikel... (Kleiner Tippfehler: Artigel, weil mein Blick eben nach draußen in den doch schon sehr frühlingshaften Garten gehuscht ist. Eigentlich eine süße Vorstellung, ein Art-Igel. Nun denn.)

Lesen ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und Werkzeug für eine reflektierte Meinungsbildung. Das sollte eigentlich schon Grund genug sein, jede Gelegenheit zu ergreifen. Leseförderung beginnt nicht erst in der Schule, sondern schon im frühkindlichen Alter mit dem Vorlesen. Trotz der Wichtigkeit lesen fast 40% der Eltern nicht oder nur selten vor.* Damit hat sich der Anteil um 7% gegenüber 2019 vergrößert. Ein trauriger Trend, der aber unter den gegebenen Umständen verständlich ist. Zuerst habe ich mich gewundert, denn die Pandemie war in meinem Kopf mit Home-Office und "mehr Zeit mit Kindern" verknüpft. Naja, dann sind mir Kurzarbeit, Existenzbedrohungen, Inflation und all die Sorgen und Probleme wieder eingefallen, die Eltern möglicherweise davon abhalten, gemeinsam mit ihren Kindern zu lesen. 
Weil die fehlende Leseförderung aber später große Auswirkung haben kann (in einem Seminar lernte ich: Schüler*innen, in dessen Elternhaus weniger als 2 Bücherregale existieren, hinken mitunter mehrere Schuljahre hinter ihren Klassenkameraden hinterher), sollten wir lieber gestern als heute damit anfangen, jeden Strohhalm zu greifen, der ein bisschen Freude am Lesen verspricht. Vieles geht auch, ohne selbst ein Lese-Profi zu sein. Und ohne viel Zeit. Versprochen. Dank digitalem Zeitalter sind wir in der vorteilhaften Lage, nicht einmal mehr vom Sofa aufstehen zu müssen (...vielleicht ist das auch ein Nachteil, naja).
In jedem Fall existiert eine Vieeeeeelzahl von Angeboten und ich möchte nur ein paar (erprobte) vorstellen:

1. Kinderbuch-Apps, interaktive Lesegadgets: Ich glaube, TipToi-Stifte und Tony-Boxen sind mittlerweile bekannt genug, aber es gibt auch viele niedlich gestaltete Apps, die mitunter gesamte Kinderbücher interaktiv aufbereitet anbieten. Der Vorteil an diesen Apps ist oft die Funktion, sich die Texte (in verschiedenen Sprachen, aber leider meist nur westeuropäische) vorlesen zu lassen, die Bilder zu erkunden und thematisch passende (teilweise pädagogisch sinnvolle) Minispiele zu spielen. Apps, die ich ausprobiert und für gut befunden habe: 
  • Die große Wörterfabrik, 
  • Im Garten der Pusteblumen, 
  • Lindbergh,
  • Oh, wie schön ist Panama
Das Schöne an den Apps ist, dass sie günstiger als die Print-Bücher sind. Es ist nicht das Gleiche, auf einem Tablet herumzutippen und ja, der Print-Buchhandel stirbt aus, aber es ist eine Alternative für das begrenzte Budget, oder?

2. Die kostenlose App der Stiftung Lesen: Einfach vorlesen! Zur Bedienung der App wird ein Mensch benötigt, der dem Kind die Geschichte vorliest, denn es gibt keine interne Vorlesefunktion. Die Texte wechseln ständig, denn es erscheint jede Woche Freitag um 12 Uhr zu verschiedenen Büchern ein neues Kapitel oder eine neue Geschichte. Vorgegebene Alterskategorien sind 3, 5 und 7 Jahre, nach meinem Eindruck ist das aber eine recht flexible Spanne.

3. Lesestart 1-2-3 der Stiftung Lesen. Hierbei werden kostenlos Bücher bei den U6- und U7-Vorsorgeuntersuchungen sowie über Bibliotheken an Familien verschenkt, inklusive Infomaterial zur Leseförderung. Über die Internetseite kann man die teilnehmenden Ärzte und Bibliotheken einsehen. Ich habe nachgeguckt, selbst bei mir im Land Brandenburg gibt es reichlich Teilnahme!

4. Der Welttag des Buches (23.April 2023). Die Aktion gab es bereits in meiner Grundschulzeit und ich habe sie geliebt. Wir haben alle ein Buch geschenkt bekommen und relativ zeitnah fand eine Lesenacht statt, bei der wir unsere Lieblingsbücher  oder alternativ das Welttag-Buch mitbringen konnten. Schulen müssen sich dafür anmelden, also einfach mal bei eurer Schule nachfragen und anregen, auch eine Lesenacht vorzubereiten. Besonders für Kinder, die vielleicht keine eigenen Bücher besitzen, ist es schön, wenn ihnen die Sorge, an solch einem Event nicht teilnehmen zu können, durch ein Buchgeschenk genommen wird. Die Aktion richtet sich an Kinder der 4. und 5. Klasse.

5. Vorlesestunden außerhalb des Elternhauses. Das elterliche Vorlesen ist zwar eine der besten Methoden, die Lesemotivation zu fördern (Eltern= Vorbildrolle), allerdings ist dies nicht immer möglich und deshalb gibt es mittlerweile viele Initiativen, die Vorlesestunden für Kinder organisieren, seien es Bibliotheken, Omas, die der Kita-Gruppe vorlesen, Buchhandlungen oder Lehrkräfte im Schulunterricht. 

6. Die App Antolin. Dort können Kinder Orden und Punkte für Rätsel zu Büchern gewinnen. Laut App-Entwicklern und dem Verständnis von Gamification ein ausreichender Anreiz für Kinder, die entsprechenden Bücher zu lesen, um dann die Aufgaben bearbeiten zu können. Leider können sich Privatpersonen nicht anmelden, also muss auch hier die Lehrkraft mit ins Boot geholt werden. Viele Schulen besitzen mittlerweile schon Antolin-Lizenzen. 

7. Kreative Anreize schaffen. Mit Kindern Lesezeichen basteln, Buchumschläge gestalten oder Rezensionen in Schulzeitungen und Buchhandlungs-Newslettern veröffentlichen. Es motiviert ungemein, als Kind ernst genommen und nach der Meinung gefragt zu werden sowie passendes "Zubehör" für das aktuelle Buch zu basteln...Vorlagen gibt es genügend im Internet!

Generell und über alle Angebote hinweg gilt:
  • Eltern sind Vorbilder. Kinder orientieren sich so stark an den Verhaltensweisen ihrer
    Bezugspersonen. Nehmen sie wahr, dass Bücher für ihre Eltern immer mit Arbeit, Stress und Unwillen verbunden sind, werden sie keine Lesemotivation entwickeln (zumindest wird es schwer). Wird gemeinsam mit Kindern ein Buch oder eine Geschichte angeschaut und darüber geredet, wertschätzend, mit dem Kind als ebenbürtigen Gesprächspartner, dann fördert das das Interesse am Lesen. 
  • Anreize, wie Urkunden, Vorlesewettbewerbe und die Digitalisierung von Büchern in Form interaktiver Kinderbuch-Apps wirken sich positiv auf die Lesemotivation aus, vor allem, wenn Kinder in ihren Leseerfahrungen ernst genommen werden.
  • Die Ohren aufsperren und auf Schulen und Bibliotheken zugehen schadet nicht. Im Gegenteil! Vielleicht ergeben sich so ganz neue Möglichkeiten, zum Beispiel ein betreuter Leseclub in der örtlichen Bibliothek.
Überall, wo Achtung gegenüber dem Lesen und Büchern herrscht, existiert eine gute Atmosphäre für Kinder, motivierte Leser zu werden. Wenn das nicht im Elternhaus der Fall ist, so sollten Alternativen gesucht werden. Fürs Kind!

Werden in eurer Umgebung Lesestunden angeboten? Wie steht ihr zum Thema "Leseförderung" und der Dringlichkeit?

*Laut Vorlesemonitor 2022 der Stiftung Lesen
Bilder: Pixabay

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