Rezension | "Fourth Wing" - Rebecca Yarros

Sonntag, 5. Januar 2025

Ein Drache ohne seinen Reiter ist eine Tragödie. Ein Reiter ohne seinen Drachen ist tot. Violets Traum, Schriftgelehrte am renommierten Basgiath War College zu werden, zerplatzt jäh, als sie als Tochter der Generalin am Auswahlverfahren der Drachenreiter teilnehmen muss. Das erste Jahr wird nicht einmal die Hälfte aller Kadetten überleben, denn Drachen binden sich nicht an schwache Menschen, sie fackeln sie nieder. Die meisten Kadetten würden Violet vermutlich allein aufgrund ihrer Herkunft niederstrecken wollen - besonders Xaden, der mächtigste und skrupelloseste unter den Geschwaderführern. Und ohne Frage auch der attraktivste. Ausgerechnet ihm wird Violet unterstellt. Sie muss jeden Vorteil nutzen, wenn sie überleben will. Denn am Basgiath War College haben alle eine Agenda, egal ob Freund, Feind oder möglicher Geliebter, und es gibt nur zwei Wege hinaus: den Abschluss machen oder sterben. (Quelle: Thalia)

  Zwei Jahre nach Erscheinung des ersten Bandes bin ich durch einen Zufall dazu gekommen, das über alle Maßen gehypte "Fourth Wing" lesen zu können. Meine Kollegin und ich haben festgestellt, dass unsere Leseinteressen nah beieinander liegen und Wälzer ausgetauscht. Fourth Wing gegen Crescent City. Rebecca Yarros gegen Sarah J. Maas. Ich habe den Hype mitbekommen, obwohl ich überhaupt nicht mehr in der Bücherblase der sozialen Medien vertreten war, auch darüber hinaus wurde über dieses Buch gesprochen. Zuletzt hatte ich den dritten Band von Crescent City beendet und kam mit hohen Ansprüchen und Erwartungen - wobei ich in der Vergangenheit ja bereits erfahren habe, dass Hype und Qualität manchmal sehr weit auseinanderliegen, stattdessen oft die starke Fangemeinschaft eine*r Autor*in (unabhängig des Schreibtalents) beträchtliche Einflüsse auf "Hypes" hat.

In "Fourth Wing" befinden wir uns in einer Art Harry Potter-Parallelwelt. Im Hogwarts-Zwilling, dem Basgiath War College muss die Protagonistin das erste Schuljahr bestehen, sich zwischen feindlichen, deutlich stärkeren, besser trainierten und körperlich überlegenen Mitschüler*innen behaupten und hoffen, dabei nicht zu sterben. Statt auf einem Besen reitet Violet auf einem Kampfdrachen, mit dem sie mental verbunden ist, sodass sie sich regelmäßige amüsante Schlagabtausche liefern können. Zwischen Gefechtskunde, Manöver-Fliegen und Siegelkraft-Training finden unnötige Trainingskämpfe mit einem wenig an Trainingsfortschritt interessierten Professor statt und Vorbereitungen für regelmäßige besondere Wettbewerbe, die sehr an Herausforderungen in Computerspielen erinnern. Immer mit einem Ziel: entweder man siegt (und kommt ein Level weiter) - oder stirbt.

Mich hat die Allgegenwärtigkeit des Sterbens über das gesamte Buch hinweg sehr irritiert. Die Normalität dessen und die trotzdem währende Euphorie über die "Chance", an dieser Militärschule aufgenommen worden zu sein, passten in meinen Augen nicht so ganz zusammen. Die Protagonisten begründen immer wieder, dass der Tod und das Miterleben - sogar Mitansehen des Sterbens - sie auf die "Realität" eines möglichen Krieges vorbereiten soll und Menschen, die im War College sterben, später eh nur eine Belastung für ihre Staffel seien, wenn sie selbst im kontrollierten Training nicht stark genug sind. Für mich eine ziemlich eigenartige und menschenunwürdige Sichtweise, die schnell gleichgültig im Bezug auf sterbende Charaktere macht.

Bis auf das Überleben und Bestehen der Wettbewerbe fehlt der Story eine Rahmenhandlung. Ein größeres Ziel. Ein Geheimnis. Irgendetwas, das hier und dort die entsprechende Spannung erzeugt, um weiterzulesen. Es geht durchweg nur darum, die Wettbewerbe zu gewinnen, für den nächsten Wettbewerb zu trainieren, Leuten beim Sterben zuzusehen. Die Liebesgeschichte zwischen den Protagonisten ist gut gemeint und bringt ab und an etwas Spannung in die Erzählung, bedient aber natürlich jedes Klischee. Manchmal sind die Dialoge schwer zu lesen, da sich Violet und Xaden mental unterhalten, während sie laute Gespräche mit anderen führen. 

Das größere Geheimnis wird erst auf den letzten 150 Seiten eingeführt, was angesichts der 600 vorherigen Seiten, durch die man sich dafür gekämpft hat, deutlich zu wenig und sehr schade ist. 

Mein Grund, das Buch zu Ende zu lesen, waren eindeutig die Drachen. Leider kamen diese viel zu kurz. Ich habe sie trotzdem ins Herz geschlossen, Violets Drachen und ihre Gespräche. Die konnten mich zum Schmunzeln bringen und letztendlich auch dazu, mich an den zweiten Teil zu wagen. (Naja, und das Geheimnis, das auf den letzten hundert Seiten endlich offenbart wurde und dessen Entwicklung mich sehr interessierte. Hach, was wäre es gewesen, wenn es darum schon früher gegangen wäre!)

Eine kleine Sache, die mich etwas in meinem Lesegenuss eingeschränkt hat, war die teilweise seltsame Übersetzung ins Deutsche, da Sätze keinen Sinn ergaben oder Eigennamen dann plötzlich auf Englisch waren, obwohl das Buch auf Deutsch und die Sprache im Buch eigentlich eine Fantasiesprache war (Stichwort "War College" und "King Loui"). Das hörte sich zwischen den mehr oder weniger zwanghaft fantastisch (bis hin zu unaussprechlich) klingenden Namen etwas lächerlich an. Ein "King Loui" gehört für mich eher nach Madagascar in den Film und nicht in eine brutale Welt mit Krieg und Kampfdrachen.

Aber die Drachen haben das Ganze eben irgendwie gerettet und mich den zweiten Teil lesen lassen...


Bibliographische Angaben:
Rebecca Yarros - "Fourth Wing"
dtv
768 Seiten
Erscheinungsdatum: 15.06.2023
9783423442206

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