Es ist das Ende des 19. Jahrhunderts, und nichts fasziniert die Menschen so sehr wie die geheimnisvollen und angsteinflößenden Wunder des Ödlands. Nichts berührt diese riesige, verlassene Wildnis zwischen China und Russland außer dem Transsibirien-Express, der jeden befördert, der es wagt, das Ödland zu durchqueren. Es gibt jedoch Gerüchte, dass der Zug nicht mehr sicher ist. Wer sich nun auf diese Reise begibt, hat seine ganz eigenen, verborgenen Gründe dafür: eine trauernde Frau mit fremdem Namen, ein Kind, das im Zug geboren wurde, und ein in Ungnade gefallener Naturforscher. Doch mehr und mehr scheint es, als würden die Gefahren des Ödlands ihren Weg ins Innere finden … (Quelle: Verlag)
Dieser Roman ist für mich definitiv ein Jahreshighlight geworden. Schon vor einiger Zeit wurde ich auf das wunderschöne Cover aufmerksam, da hat allerdings noch die Vernunft gesiegt (und der Gedanke an meinen SuB...). In den letzten Tagen jedoch habe ich das Buch verschlungen. Anfangs war ich "einfach" nur erfrischt von dem gewählten Sprachstil, etwas eingestaubt, aber auf angenehme Art - eine gute Abwechslung nach den New-Adult- und Fantasyromanen, die ich in letzter Zeit gelesen habe und welche sich sprachlich nicht besonders von der breiten Masse abheben. Sarah Brooks Roman lässt sich nicht in ein bestimmtes Genre einordnen. Als ich das in anderen Rezensionen las, war ich skeptisch, doch jetzt bin ich überzeugt, dass genau das den Charme des Buches ausmacht.
Wir begleiten als Leser drei Figuren auf eine Reise mit dem Transsibirien-Express im Jahr 1899. Maria Petrowna, unter falschem Namen unterwegs, Dr. Grey und Weiwei, das Zugkind, werden abwechselnd in der Erzählung begleitet, anfangs liest es sich wie ein Reise- oder Abenteuerroman, doch irgendwann verschwimmt die Grenze zur Fantasie... Es heißt, Reisende werden hin und wieder vom Ödlandweh gepackt und beginnen, zu fantasieren, werden eine Gefahr für sich selbst und alle anderen. Das gilt es unter allen Umständen zu vermeiden. Nach und nach geschehen immer mehr seltsame Dinge, Berater der Transsibirien-Kompanie erzeugen den Eindruck, als wollen sie etwas verbergen und zwischendrin taucht eine blinde Passagierin auf, deren Rolle im Ganzen zunächst nicht klar ist...
Die Atmosphäre hat mich auf den ersten Seiten bereits mitgerissen. Sarah Brooks schafft es, eine düstere, bedrohliche Stimmung mit ihren Worten herzustellen, ohne, dass man als Leser die Gefahr genau orten kann. Man könnte meinen, in einem Abenteuerroman geht es in erster Linie um die Neugier nach dem Neuen, Unbekannten. Hier scheint von Beginn an eine nicht greifbare Angst vor dem "Draußen" zu herrschen, die mich fasziniert hat. Man weiß nicht, woher die Bedrohung kommt, und nichts fühlt sich wirklich "real" an. Das Setting hat mich sehr an "Mord im Orient-Express" erinnert, irgendwie skurril.
Ich war beim Lesen wirklich richtig mitgenommen. Die offensichtlichen Dinge, die verschleiert, als Spinnereien dargestellt werden, habe ich hin und wieder auch nicht glauben wollen, bis zur letzten Seite habe ich überlegt: Und was, wenn das doch alles nur Einbildung war?
Die Geschichte wurde unerwartet märchenhaft, fantastisch, aber es hat genau gepasst; ich konnte das Buch einfach nicht mehr weglegen. Es lässt mich nachdenklich, zweifelnd und etwas verzaubert zurück und mit der Hoffnung, dass diese Erfahrung noch viele weiteren Leser*innen machen können.
Ich freue mich jetzt schon auf das Re-Read!
Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
Sarah Brooks
2024
416 S., Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
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